Gina ist 17 Jahre alt und wohnt seit 7 Jahren auf der Insel Reichenau. Sie ist in Prien am Chiemsee geboren, aber wenn man sie fragt, wo sie herkommt, sagt sie: „Ich bin Reichenauerin.“ Gerade hat sie die Mittlere Reife gemacht und will jetzt ans Wirtschaftsgymnasium gehen. Ihr Berufsziel: Polizistin. „Ich brauche einen Beruf mit Action!“ sagt sie. Bloß keinen reinen Bürojob!
Dabei wirkt sie auf den ersten Blick eher zurückhaltend, fast schüchtern. Ich habe sie als zuverlässige Katzensitterin kennengelernt.
Aber ihr Leben wird von „Action“ bestimmt. Seit zehn Jahren spielt sie Fußball, fünf davon auf der Reichenau, in der Jungen-Mannschaft. Sie ist Stürmerin, hat pro Saison durchschnittlich 10 Tore geschossen. Als ich wissen will, ob es schwierig war, als Mädchen von den Jungs akzeptiert zu werden, wundert sie sich über die Frage: „Ich hab doch gut gespielt.“
Wie akrobatisch sie mit dem Ball umgeht, sieht man auf dem folgenden Video.
Bis zur C-Jugend hat sie auf der Insel gespielt. Dann ist sie einem Scout vom Hegauer FV aufgefallen, zunächst bei Spielen auf der Reichenau und in Konstanz. Anschließend wurde sie bei einem Auswärtsspiel und einem Heimspiel bewusst gesichtet, bei denen sie jeweils ein Tor erzielte. Nach einem Gespräch mit ihrer Mutter am Spielfeldrand kam Gina 2018 zunächst zum Probetraining nach Engen und wechselte schließlich ganz zur Hegauer Mädchenjugend. Position: Linkes Mittelfeld.
„Sie ist eine sehr ehrgeizige Spielerin, die sich im Sturmzentrum an wohlsten fühlt“, sagt ihr Scout Christian Nagel. Bisher hat Gina in der B-Jugend gestürmt, ab der kommenden Saison wird sie bei den Aktiven auflaufen. Für Mädchen gibt es keine A-Jugend-Mannschaft, und so wird sie zusammen mit erwachsenen Frauen auf dem Platz stehen. Die spielen in der Regionalliga. Höher sind nur die Profi-Ligen.
Was Trainer und Mitspielerinnen im Hegau übrigens besonders schätzen lernten, war, dass Gina regelmäßig Gurken und anderes Obst und Gemüse mitbringt. Kunststück, wenn man von der Reichenau kommt und der Vater Gemüsegärtner ist!
Was ist der Unterschied zwischen der Jungenmannschaft auf der Reichenau und der Hegauer Mädchenmannschaft? will ich wissen. „Bei den Mädchen zu spielen ist schwieriger!“ sagt sie. Die Reichenauer C-Jugend spielt in der Kreisliga, die Engener Mädchen in der Oberliga, also drei Klassen höher. Hier kann sie nicht wie vorher mal eben bei drei Spielern durchdribbeln. Sie muss schneller reagieren, es gibt auch mehr Körpereinsatz. Dafür lernt sie beim Hegauer FV mehr. Ihr Trainer beschäftigt sich sehr intensiv mit der Mannschaft bezüglich Taktik und Technik, er spricht mit den Spielerinnen über 4/3/3-Formation, Flanken, Pässe und Schüsse aufs Tor. Trotzdem möchte sie die Zeit bei den Inselkickern nicht missen. „Man merkt einem Mädchen an, wenn es vorher bei den Jungs gespielt hat,“ meint sie, „man wird härter und robuster.“
Dennoch muss sie üben, üben, üben. Wenn nicht gerade Corona-Time ist, fährt sie zweimal in der Woche mit dem Zug nach Engen zum Training, und am Wochenende wird gespielt. Mehrfach schon hat sie sich verletzt, „aber noch nie heftig.“
Ob sie sich eine Profikarriere vorstellen könne, will ich wissen. „Cool wär das schon!“ Aber sie arbeitet nicht zielstrebig darauf hin. Wenn es sich ergibt, ist es gut. Gina ist offen für alles. Vor allem fürs Tore schießen!
Doch Gina spielt nicht nur Fußball. Seit ihrem dritten Lebensjahr fährt sie Ski. Und wie!
Und neben dem Sport hat sie auch noch musisches Talent. Im Jugendorchester der Reichenauer Bürgermusik spielt sie – nein, natürlich nicht die Triangel – die Trompete!
Außer Sport und Musik hat Gina Röhm noch eine andere große Leidenschaft: Motorrad fahren. Ihr Bike: eine KTM Duke 125.
Sie liebt es, mit Freunden von der Reichenau oder aus Konstanz Touren zu machen. Die Clique sucht Orte für Fotoshootings, bei denen man glauben könnte, sie wären nicht am Bodensee, sondern in Chicago oder New York (wären da nicht die Schilder der Glascontainer).
Angst hat Gina keine, höchstens dass ihr nachts mal ein Tier vors Rad laufen könnte. Sie formuliert es so: „Ich bin nicht schüchtern!“ Und meint damit, dass sie bergab mit Rückenwind auf den Lenker geduckt schon mal 130 km/h fährt.
Was meinen ihre Eltern zu diesen Hobbys? So lange sie die Schule nicht vernachlässigt, kein Problem. „Gina ist sehr zuverlässig, sehr diszipliniert. Das hat sie wohl im Sport gelernt“, sagt Mutter Susanne.
Sie selbst meint zu ihrer Motorradleidenschaft:
Für die Zukunft hat Gina Röhm noch keine konkreten Pläne. Familie möchte sie irgendwann haben, einen Job, der Spaß macht, auf der Reichenau leben und – ein größeres Motorrad.
Na dann: Hals- und Beinbruch, liebe Gina!