Eine Besonderheit der Reichenau sind die Glashäuser. Etwa 500 Stück gibt es laut Gärtnergenossenschaft auf der Insel. Sie bedecken insgesamt eine Fläche von 40 Hektar gegenüber 120 Hektar Freilandfeldern. Dazu gibt es auf dem Festland noch sogenannte Aussiedlungen mit Glashäusern auf weiteren 20 Hektar Fläche. Dort wird nur Biogemüse angebaut. Insgesamt ist der Anteil an Reichenauer Biogemüse extrem hoch, er liegt bei 35% bis 40%.
Die Glashäuser geben der Insel ihr ganz eigenes Gepräge. Nachdem der Weinbau in den 1920er Jahren fast völlig zum Erliegen kam (siehe Beitrag „W wie Wein I – Netze und Rosen“), wurde der Gemüseanbau immer wichtiger. Aber die Saison für Gemüse im Freiland ist nördlich der Alpen relativ kurz. Davon kann man schwerlich leben. So wurden bald die ersten Gewächshäuser errichtet. Ursprünglich waren sie aus Holz und Glas. Aber Holz wird schnell morsch, daher stellte man auf Metallrahmen um. Das älteste noch erhaltene Gewächshaus befindet sich Im Streichen und stammt nach Auskunft der Besitzer von 1928.
Daneben stehen das kleinere Treibhaus und das Häuschen für die Heizung. Wahrscheinlich sind sie ähnlich alt wie das Gewächshaus daneben.
Es gibt auf der Insel Glashäuser mit Größen von unter 100 qm bis zu 1 Hektar. Von den Aussiedlungen ist die Gärtnersiedlung in Aach mit 11 Hektar die größte. Die Gewächshäuser werden auf der Reichenau „Block“ genannt. Kleinere Glashäuser, die der Zucht von Jungpflanzen dienen, sind Treibhäuser.
Die Glashäuser prägen mit ihren unterschiedlichen geometrischen Formen das Bild der Insel. Manche Touristen rümpfen die Nase über die „landschaftsverschandelnden“ Gebäude. Aber abgesehen davon, dass sie vielen Reichenauern ihr Einkommen sichern, finde ich, dass sie eine ganz eigene Ästhetik haben.
Manche wirken wie Seen aus Glas.
Andere verschwinden bei näherem Hinschauen fast im Boden.
Manche wirken wie Kathedralen aus Glas und Metall mit vielen Schiffen.
Viele sind liebevoll von Blumen umrahmt.
Hier befindet sich neben dem Block ein Frühbeet, das den Sommerblumen überlassen wurde.
Manchmal wachsen Gemüse und Wein zusammen am gleichen Glashaus.
Folientunnel sind eine Alternative für einfachere Kulturen. Sie sind günstiger als die Glashäuser, aber man kann sie nicht so gut belüften und das Klima steuern.
Glashäuser in der Morgensonne. Der Kamin gehört dazu.
Die Gewächshäuser werden im Winter mit Öl und immer häufiger mit Gas beheizt. Die Gärtner, die ihr Gemüse in den Aussiedlungen auf dem Festland produzieren, haben dort die Möglichkeit, mit Hilfe von Blockheizkraftwerken und Biogasanlagen zu heizen. Manche Gärtner gehen dazu über, auf der Insel selber nur noch Kalthäuser zu betreiben. Feldsalat zum Beispiel erträgt auch – 10 °.
An Weihnachten sind sogar manche Glashäuser festlich beleuchtet.
Was passiert, wenn ein Glashaus alt geworden ist oder der Besitzer es nicht mehr braucht? Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Manche werden als Lagerräume und Abstellmöglichkeiten für Wohnmobile oder Boote verwendet.
Manche werden ganz abgerissen, wieder andere erhalten neue Verglasungen. Diese Arbeit machen fast immer holländische Firmen, denn wenn eine Nation sich mit Gewächshäusern auskennt, dann sind das die Holländer! Dort entstand 1682 das erste Gewächshaus in Europa und es gibt aktuell fast 9000 Hektar Glashäuser. Das sieht dann so aus:
Im Moment ist ein ganzer Trupp von Niederländern auf der Reichenau, um einige Gewächshäuser über den Winter neu zu verglasen. Dann heißt es erst einmal: Folie auf den Boden und die Scherben des alten Hauses darauf. So viele Scherben müssen eine Menge Glück bringen!
Dann wird das neue Glas eingebaut. Es ist ein fideler Trupp, der die Scheiben von einer mobilen Plattform aus einsetzt.
Das neue Verbundglas hat mehrere Vorteile: Es lässt das Sonnenlicht diffuser durchscheinen und vor allem: Es zersplittert nicht, sollte doch einmal jemand mit Steinen werfen!