Als ich auf die Reichenau gezogen bin, habe ich gleich zu Beginn an einer Inselführung teilgenommen. Die romanischen Kirchen kannte ich ja schon vom Kunstgeschichtsstudium, aber ich wollte auch etwas über das heutige Leben auf der Insel wissen. So habe ich Conni Eißer kennengelernt. Mit viel Witz und Wissen hat sie uns Neu-Insulanern Wein- und Gemüsebau, Fischerei und Fasnacht nähergebracht.
Später habe ich sie wieder getroffen, ist sie doch die Nichte von Anna Wagner (siehe Beitrag „Die Dschungelkönigin“) und die Patentante (bzw. Gotti) von Benjamin Wagner, dem größten Bio-Gärtner der Insel, der mir zum Beitrag „Wer im Glashaus sitzt…“ Informationen gegeben hat, außerdem die Schwester von Gemeinderat und Elferrat Berndt Wagner, die Schwägerin von Ingrid, mit der ich im Chor singe, und eine Cousine von Roswitha, ebenfalls im Chor…
So ist das auf der Reichenau, man kennt sich und trifft sich, auf Festen und Veranstaltungen oder beim Einkaufen. Das ist es auch, was Conni Eißer an der Insel gefällt, das Überschaubare und Familiäre.
Außerdem ist ihr durch die Touristenführungen bewusst geworden, was für eine großartige Geschichte die Reichenau hat, und sie ist regelrecht stolz, wenn sie Auswärtigen bei Weinwanderungen, Insel- oder Kirchenführungen davon erzählen darf.
Conni Eißer fühlt sich auf der Insel verwurzelt. Sie stammt ja auch aus einer alten Reichenauer Familie, jedenfalls, was die Großmütter anbelangt. Ihre Großväter waren beide „Angeschwemmte“, aus Bodman und Wiblingen, die auf der Insel ihre Frauen kennengelernt haben und hiergeblieben sind. Der Vater stammte aus Niederzell, war Gemüsegärtner. Connis Bruder Berndt hat den väterlichen Betrieb übernommen, und inzwischen ist mit Benjamin dort die nächste Generation am Ruder. Conni ist nach Mittelzell gezogen, wo sie mit ihrem Mann Udo und den – inzwischen erwachsenen – Kindern Marco und Nina lebt.
Aber es ist nicht so, dass sie niemals von der Reichenau fortgewesen wäre. Nach der Ausbildung zur Erzieherin in Hegne hat sie 1988 mit 24 Jahren eine Weltreise gemacht. Ein Jahr lang war sie allein mit dem Rucksack unterwegs, hat Menschen und Länder kennengelernt, Abenteuer erlebt und dazwischen immer wieder gearbeitet.
Am Grand Canyon
Fallschirmsprung in Neuseeland
Great Ocean Road in Australien
Sie war sich für keine Arbeit zu schade: In Australien ging sie von Tür zu Tür und verkaufte kitschige Ölgemälde aus China, in Neuseeland half sie bei der Apfelernte und in San Francisco hängte sie in einer Diskothek Jacken auf. Nach ihrer Rückkehr hat sie für eine Saison in Gargellen auf einer Skihütte gearbeitet, und schließlich war sie noch ein halbes Jahr in Südamerika unterwegs.
„Work and Travel“ also, wie es unter heutigen Jugendlichen Mode ist, nur nannte man das damals nicht so. Und wer weg war, der war wirklich weg! Es gab weder Handys noch Internet noch Instagram. Einmal im Monat zuhause anrufen, ansonsten Briefe schreiben – das war’s! Und es war gut so, findet Conni.
Was trotzdem möglich war, zeigt ein Projekt, das sie bis heute unterstützt. Durch Zufall bekam sie bei ihrem Südamerikatrip Kontakt zu Stefan Gurtner, einem Schweizer, der ein Straßenkinderheim in Bolivien gegründet hatte. Conni hat von Bolivien aus eine Spendenaktion auf der Insel Reichenau organisiert, bei der in kürzester Zeit über 7500.- DM zusammen kamen.
Mit dem Geld konnte das Straßenkinderheim erweitert werden.
Selbstverständlich hat sich Conni im Bütezettel, dem Reichenauer Gemeindeblatt, dafür öffentlich bedankt.
Wieder zurück in der Heimat, hat sie zunächst im Kindergarten auf der Reichenau gearbeitet. Bis heute ist sie dem Erzieherberuf treu geblieben. Inzwischen arbeitet sie als Erlebnispädagogin in der Ganztagesrealschule im Marianum in Hegne. Sie organisiert das Nachmittagsprogramm und bietet Projekte zu Natur, Wald und Wiesen an. Außerdem spielt Conni mit ihren SchülerInnen auch liebend gerne Theater. Sie legt ihnen Stücke zur Auswahl vor und baut dann ihre Ideen und unter Umständen weitere Rollen mit ein. Am Ende wird das Stück vor der Schule, Eltern und Verwandten aufgeführt. Ein echtes Highlight für die Akteure! Eine Alpenüberquerung von Oberstdorf nach Meran hat sie mit einer Gruppe von SchülerInnen auch schon unternommen.
Conni liebt ohnehin die Berge. Wandern von Hütte zu Hütte, Schneeschuh- und Skitouren sowie Abfahrtski sind ihre Lieblingssportarten.
Überhaupt ist der Winter ihre Zeit. Sobald es kalt wird und das Eis einigermaßen trägt, schnappt sie ihre Schlittschuhe, und raus geht’s! Dann muss der Haushalt eben mal liegen bleiben.
Außerdem spornt der Winter ihre Kreativität an, vor allem wenn er so viel Schnee mit sich bringt, wie in diesem Jahr!
Aber Conni Eißer hat noch andere Leidenschaften. Sie liebt die Fasnacht! Das ist nicht weiter verwunderlich, wurde ihre Mutter doch an einem Rosenmontag geboren. Offenbar hat sie ihrer Tochter das „Fastnachtsgen“ mitgegeben. Schon als Kind war Klein-Conni mit der Familie närrisch unterwegs. Der Vater hat richtige Motto-Wagen gebaut.
Sein Motto war: „Goht it git’s it.“ Das hat sich seine Tochter offenbar gemerkt. Gemeinsam mit sieben Frauen (und lange Zeit einem Mann) hat sie eine Kostümgruppe etabliert, die sich passend zum jeweiligen Motto der Reichenauer Fasnacht verkleidet.
So gab es die verrückten Hühner…
Germanys next Topfmodels, eine Idee, die auf einen Versprecher zurückging…
Hummeln auf der Blumenwiese…
Stewardessen…
Taschendiebe…
Und vieles, vieles mehr!
Doch das reicht Conni Eißer bei weitem nicht. Zusammen mit ihrer Tante Doris Halbherr und mit Anita Blum tritt sie bei den Bunten Abenden der Narrenzunft auf. Die drei sammeln Ideen und Conni schreibt die Texte.
Conni liebt es, Rollen zu spielen und die Leute zu unterhalten. So hat sie 1982 – noch nicht zwanzigjährig – zusammen mit Doris Halbherr und Karl Wehrle das „Stubentheater“ gegründet. Die drei hatten ursprünglich die Idee, den „Watzmann“ aufzuführen, doch dann haben sie sich entschieden, Bauernschwänke zu spielen. Die Leute waren begeistert und der Saal des Gasthauses „Bären“ war bei jeder Aufführung brechend voll. Mit mehrjährigen Pausen und wechselnder Besetzung hat die Truppe bis 2017 gespielt. Die geplante Aufführung für 2020 musste coronabedingt abgesagt werden.
Aber Conni Eißer macht nicht nur Bauerntheater. Mit ihren zwei Freundinnen Sabine Jordan und Diana Senger hat sie die „Reichenauer Kasperlekiste“ gegründet. Ralf „Schlozi“ Blum (siehe „G wie Grundele“) hat ihnen eine Bühne gebaut, und darauf spielen sie an den Reichenauer Kinderaktionstagen mit wertvollen Hohnsteiner Kasperlefiguren selbst geschriebene Stücke.
Wenn man sie fragt, wie sie all ihre Aktivitäten unter einen Hut bringt, zitiert sie einen Spruch von Goethe: „Was immer du tun kannst oder erträumst zu können, FANG DAMIT AN. Mut hat Genie, Kraft und Zauber in sich.“ Das ist Conni Eißers Lebensmotto.
Und zu Zeiten von Corona? Da dreht das verrückte Huhn erst recht auf!
Die Fotos stammen bis auf Ausnahmen aus dem Archiv von Conni Eißer. Auch das Video hat sie mir zur Verfügung gestellt.