Offener Brief von Andrea Ferrari aus Lodi

am

Andrea Ferrari ist ein Freund aus Lodi. Er war früher Referent des Bürgermeisters und hat nun als Bürger von Lodi und Freund von Konstanz einen offenen Brief geschickt, der heute auch im Südkurier veröffentlicht wurde. Hier die Übersetzung:

Liebe Konstanzer Freunde,

viele von euch haben Lodi im Rahmen der Städtepartnerschaft besucht, einer Partnerschaft, die unsere Städte seit über 30 Jahren verbindet. In den historischen Zentren von Lodi und Konstanz sind Musikkapellen und Künstler der Partnerstadt aufgetreten, wir habe eure kulinarischen Spezialitäten probiert und ihr unsere. So sind enge kulturelle, soziale und wirtschaftliche Beziehungen und viele Freundschaften entstanden.

In diesen Wochen, in denen Italien, Deutschland, Europa und die Welt vom Coronavirus belagert werden, ist es mir als Bürger von Lodi und Freund von Konstanz ein Bedürfnis, einen Appell an euch zu richten.

Italien und die Region um Lodi sind mit als erste vom Coronavirus getroffen worden. Anfangs dachten wir, das Virus könnte leicht besiegt werden, und die meisten von uns haben die Gefahr unterschätzt.

Dann sind in der Region um Lodi zehn Gemeinden zur roten Zone erklärt worden. 50000 Menschen wurden in ihren Häusern festgesetzt, ohne die Möglichkeit, die eigene Stadt zu verlassen. Zum ersten Mal in der modernen Geschichte wurden Soldaten des italienischen Heeres eingesetzt, um die Zugangsstraßen zu blockieren. Das Militär in unseren Straßen zu sehen, war für die Bevölkerung sicher hilfreich, aber es hat das Gleichgewicht in der Region schwer beeinträchtigt.

In dieser roten Zone, die eingerichtet wurde, um das Virus zu isolieren, sind hunderte von Personen gestorben: Junge, Alte, Ärzte, Menschen, die, ohne es zu merken, infiziert worden waren. Allein am 20. März sind in Italien 637 Menschen am Virus gestorben. In der Stadt Bergamo, wo Covid-19 gerade ein Massaker anrichtet, war der Friedhof nicht mehr in der Lage, alle Toten aufzunehmen, sie mussten mit Militärfahrzeugen in die Krematorien anderer Städte gebracht werden.

Diese vielen Toten haben unsere Gemeinschaft heftig erschüttert. Innerhalb kurzer Zeit haben wir unsere Gewohnheiten total umgestellt: Wir schließen uns in die Häuser ein, gehen nur noch zum Einkaufen hinaus oder für dringende Arztbesuche. Es scheint, dass diese Isolation das effektivste Mittel ist, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen oder sogar zu blockieren.

Das Krankenhaus von Lodi, wo einige Ärzte und Krankenschwestern seit Wochen ununterbrochen arbeiten, ist ein positives Beispiel für den Umgang mit der Krise geworden, so dass viele von außerhalb hierher kommen, um zu sehen, wie man den „Tornado“ des Virus bekämpfen kann.

Liebe Konstanzer Freunde, folgt dem italienischen Beispiel!

Zu wenig strenge Maßnahmen helfen nicht, es braucht eine mutige Geste, um unsere Freiheiten für den Moment einzuschränken, damit wir wieder an die Zukunft denken können.

Es ist so traurig, unsere Städte, unsere historischen Plätze leer zu sehen, die Geschäfte und Pubs geschlossen, aber was ich euch vermitteln will, ist, dieses „italienische Drama“ genau anzuschauen, um danach drastische Maßnahmen zu ergreifen und Situationen zu verhindern, von denen wir uns niemals vorstellen konnten, dass wir sie erleben würden.

So sieht die Piazza della Vittoria, das Herz von Lodi, an normalen Tagen aus: Leute gehen umher, unterhalten sich in Grüppchen, fahren Fahrrad oder sitzen im Cafè unter den Arkaden.
So sieht die Piazza momentan aus: Einsam und leer.
Auch die Einkaufsstraßen der Stadt sind verwaist, die schönen Geschäfte alle geschlossen.
So sieht momentan die Realität in Lodi und Umgebung aus: Zugänge zu den Ortschaften werden vom Militär kontrolliert.
Ein Bild aus besseren Zeiten: Andrea Ferrari als Referent des Bürgermeisters von Lodi 2016 zu Besuch in Konstanz