Christus am Wege III

An der Kreuzung, wo die Straße „Am Spitz“ von der Pirminstraße abbiegt, steht gegenüber vom Gemüsestand ein Wegkreuz. Davor blüht üppig eine Wildrose, die den Sockel komplett bedeckt, dahinter zieht sich ein Weinberg den Hügel hoch.

Am grauen Sandstein hängt ein Christus aus Gusseisen, darüber eine kleine Metallplatte mit dem Schriftzug „INRI“. Das Kürzel bedeutet: Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum – „Jesus von Nazaret, König der Juden“. Laut dem Johannesevangelium ließ der Statthalter Pontius Pilatus diese Inschrift am Kreuzesstamm anbringen, um den rechtlichen Grund für die Hinrichtung deutlich zu machen.

Von hinten erkennt man schön die aufwändige Verzierung der vier Kreuzesarme.

Auf der Vorderseite des Sockels – versteckt hinter den Rosen – befindet sich die Inschrift: „Sei gegrüßt heiliges Kreuz, unsere einzige Hoffnung“. Darunter kann man mit Mühe die Jahreszahl 1888 erkennen.

Sei gegrüßt heiliges Kreuz, unsere einzige Hoffnung 1888

Der Stifter des Kreuzes wird an der linken Seite genannt. Diese Inschrift ist allerdings sehr schlecht zu lesen, weil sie so verwittert ist.

Ich habe sie entziffert als: „Gestiftet von Wilh. (also wohl Wilhelm) Dreher“.

Auf der rechten Seite wurde in derselben altdeutschen Schrift eingraviert: „Gedenkt der auf dem Feld der Ehre gefallenen Krieger“. Wenn das Kreuz von 1888 stammt, muss es sich wohl um ein Gedenkkreuz für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 handeln. Diese Vorstellung von Ehre, Vaterland und Heldentum führte im Zwanzigsten Jahrhundert zu zwei Weltkriegen, die Millionen von Toten forderten. Ende des 19. Jahrhunderts war sie jedoch relativ normal.

Gedenkt der auf dem Feld der Ehre gefallenen Krieger

Für mich nicht mehr nachvollziehbar ist dagegen die Inschrift des folgenden Kreuzes. Es steht an der Kreuzung Untere Rheingasse/Stedigasse, vor den Gewächshäusern, umgeben von einigen Reben. Von allen Kreuzen auf der Insel ist es das einfachste: Ein Sandsteinkreuz ohne Christus und ohne jegliche Ornamentik, aber mit dem üblichen Inschriftensockel.

Da heißt es auf einer helleren Steinplatte: „Zu Ehren der gefallenen Krieger 1870 – 71, 1914 – 1918, 1939 – 45. Gedenket derer, die gefallen/ Sie waren Brüder zu uns allen/ Sie starben den Heldentod/ drum habe Sie der liebe Gott.“

Natürlich ist es in Ordnung, wenn man der gefallenen Brüder gedenkt. Dass aber nach dem Erleben von zwei katastrophalen Weltkriegen und ungeheurer deutscher Schuld noch die Kriegs- und Heldenrhetorik des 19. Jahrhunderts bemüht wird, ist mir nicht verständlich. So ist das eigentliche Skandalon an diesem Kreuz die Jahreszahl: 1951.

Während mir die anderen Wegkreuze auf der Insel willkommene Wegmarken sind, die an Menschen und Ereignisse vergangener Zeit erinnern, so fahre ich an diesem immer mit einem unguten Gefühl vorbei.