Christus am Wege VI

Das modernste Wegkreuz der Insel steht an der Kreuzung Oberzeller Straße/Im Estlikofer auf dem Grundstück der Familie Huber. Albin Bärthele – er hatte in die Huber-Familie eingeheiratet – und sein Sohn Hermann ließen es 1965 als Ersatz für ein älteres Holzkreuz errichten, weil Hermann damals schwer erkrankt war. Man hoffte, die himmlischen Mächte mit der Stiftung gnädig stimmen zu können. Doch die Krankheit war stärker, ein Jahr nach der Aufstellung des neuen Kreuzes verstarb Hermann Bärthele.

Das Kruzifix ist aus Granit und sehr schlicht, mit breitem Stamm und abgeschrägten Kreuzarmen. Es wirkt fast wie eine Steinwand in Kreuzform hinter der Christusfigur, die vergleichsweise klein ist.

Der Corpus aus Metall ist fein gearbeitet. Im Vergleich zum modernen Kreuz wirkt er fast ein wenig altmodisch. Christus ist mit geneigtem Haupt und angewinkelten Fingern als Toter dargestellt. Über ihm hängt ein Metalltäfelchen mit der Inschrift INRI. Sie steht für „Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum“ – „Jesus von Nazaret, König der Juden“.

Christus an der Steinwand. Man erkennt die schöne Zeichnung des Granits.

Der Sohn von Hermann Bärthele, Stefan, hat mir alte Bilder zur Verfügung gestellt (mein Dank an ihn!). Hier sieht man eine Schar Kinder an Fronleichnam unter dem neuen Kreuz stehen, vor dem der Altar mit dem Blumenteppich aufgebaut wurde. Das Bild stammt von 1968, und man sieht, dass es damals noch keine Häuser an der Stelle gab. Sie wurden erst in den 70er bis 90er Jahren gebaut. Ein Reichenauer, der zu jener Zeit als Kind in der Fronleichnamsprozession mitlief, hat mir erzählt, dass man das moderne Kreuz anfangs eher gewöhnungsbedürftig fand.

Fotografie von 1968
(Archiv Bärthele)

Denn davor sahen Kreuz und Fronleichnamsaltar so aus:

Undatierte Fotografie, vor 1965.
Das Bild ist übrigens seitenverkehrt entwickelt worden, erkennbar am IHS und am Kopf Christi, der zur falschen Seite geneigt ist.
(Archiv Bärthele)

Das Kreuz, das ursprünglich an dieser Stelle stand, stammte aus dem 19. Jahrhundert. Auch damals war ein tragisches Ereignis der Grund für die Errichtung. In der Familie Bärthele ist die Geschichte folgendermaßen überliefert: Es kam ein Kind zur Welt, dessen Augen aus den Höhlen herausstanden und nur am Sehnerv hingen. Die Eltern legten ein Gelübde ab, dass sie ein Kreuz stiften würden, wenn die Augen des Kindes sich normal entwickeln würden. So geschah es, und das Kreuz wurde aufgestellt. Welche Krankheit das Kind hatte, ist nicht ganz klar. Das Symptom der hervorstehenden Augen nennt sich Exophthalmus und kann auf verschiedene Krankheiten hindeuten.

Das Bild unten dürfte wohl die älteste Darstellung dieses Wegkreuzes sein. Auch hier ist nicht klar, von wann es genau stammt.

Undatiertes Foto des alten Wegkreuzes an Fronleichnam (richtig herum entwickelt)
(Archiv Bärthele)

Auf diesem alten Foto sieht man im Vordergrund eine Frau, die im Frühbeet arbeitet, vielleicht die Großmutter von Stefan Bärthele, Friedolina, die Frau von Albin. Im Hintergrund das alte Kreuz am Werktag, ohne schmückende Bäumchen und Blumen. Es stand genau gegenüber vom Haus der Hubers, wo sich heute die Bio-Gärtnerei von Joachim Bärthele befindet.

Undatiertes Foto
(Archiv Bärthele)