W wie Wein I – Netze und Rosen

Der Wein gehört zur Reichenau wie Fische, Gemüse und romanische Kirchen. Das Thema ist so umfangreich, dass ich vier Beiträge dazu veröffentlichen werde.

Es beginnt alles schon am Ende des Winters: Im März müssen die Reben geschnitten werden. Nur die besten Triebe bleiben stehen. Das war bereits im Mittelalter so (siehe Beitrag „Im Märzen der Bauer“).

Der Wein hat eine lange Tradition auf der Reichenau. Zwar gibt es keinen eindeutigen Nachweis, aber vermutlich haben schon die Benediktinermönche im 8. Jahrhundert Reben gepflanzt, denn für die Liturgie brauchte man Wein. Außerdem war Wein im Mittelalter allgemein ein wichtiges Getränk, denn das Wasser war nicht immer sauber. Der vergorene Rebensaft hingegen war ein hygienisch reines Lebensmittel. Schon im „Capitulare de villis“, in dem Karl der Große festlegte, was auf den Gütern in seinem Reich angepflanzt werden sollte, ist Wein ein wichtiges Thema. Wo heute Gewächshäuser die Landschaft prägen, war die Reichenau früher mit Rebstöcken bedeckt. Die folgende Karte von 1707 zeigt, wieviele Rebflächen es damals gab: Alles, was braun gestrichelt ist, sind Weinberge (Felder sind grün, Feuchtgebiete weiß).

Kolorierte Feder- und Pinselzeichnung.
(Aus: Magazin Insel Reichenau, Unesco-Weltkulturerbe. Hg.: Landesdenkmalamt Baden-Württemberg. Stuttgart 2000)

Die Reichenau besitzt ein hervorragendes Weinklima. Der ausgleichende Bodensee und der Alpenfön bescheren der Insel eine hohe Zahl an Sonnentagen (circa 1250 Sonnenstunden von Mai bis Oktober).

Noch im Jahr 1913 gab es 140 ha Weinberge auf der Reichenau. Aufgrund des kalten Winters 1928/29 ging die Rebfläche jedoch stark zurück. Erst in den 1970er Jahren begann man im Zuge der Flurbereinigung wieder Reben anzupflanzen. Heute ist man bei 22 ha angelangt, 25 ha sind geplant. Alle Weingärtner auf der Reichenau sind Nebenerwerbswinzer. Sie haben sich im Winzerverein zusammengeschlossen, der ihnen wiederum über die Rebenaufbau- und Weinbaugenossenschaft Insel Reichenau eG bei ihrer Arbeit hilft. Denn zu tun gibt es viel und jeder für sich könnte das nicht stemmen.

Bevor man überhaupt anfangen kann, müssen Rebpfähle aus Holz oder Metall gesetzt und Drähte gespannt werden, denn die Reben brauchen Halt. Sie sind Lianengewäche, die bis zu 7 cm am Tag wachsen können. Daher müssen sie auch regelmäßig zurückgeschnitten werden.

Holzpfähle
Metallpfähle

Wenn die Weinstöcke wachsen und Blätter bilden, drohen Gefahren durch Pilze, Läuse, Fliegen und Krankheiten, die behandelt werden müssen, allen voran der Mehltau. An manchen Stellen hat man dafür Rosen an das Ende der Reihen gesetzt. Sie dienen als Zeigerpflanzen, denn bevor der Mehltau die Reben befällt, erkranken die empfindlicheren Rosen daran.

Um vorzubeugen, muss gespritzt werden, Schwefel und Kupfer. Bei Biowein wird „Wasserglas“, ein Silikat, gespritzt, das sich wie ein Film um die Beere legt. Dies dient vor allem dem Schutz gegen Reblaus und Kirschessigfliege. Gegen Pilze sind Bioweinsorten durch ihre dicke Schale geschützt, daher werden sie auch „Piwi“-Sorten genannt, pilzwiderstandsfähige Sorten.

Gedeihen dann die Trauben an den Stöcken, interessiert das auch die gefiederten Weinliebhaber. Vor allem Stare sind dankbare Abnehmer. Dagegen schützt man die Rebstöcke auf unterschiedliche Art. Zum einen werden Netze gespannt.

Die blauen Netze überspannen mehrere Reihen Reben.
Kleinmaschigere dunkle Netze werden nur dort gespannt, wo die Trauben hängen.

An manchen Stellen versucht man die Stare abzuschrecken, indem man über Lautsprecher die Schreie von Falken erklingen lässt.

Auf der Insel Reichenau gibt es noch einige Falken. Hier zum Vergleich ein echter Falkenruf.