Turnersche Sonnen-Untergänge

In den letzten Tagen hatten wir viel Nebel und Dunst. Wenn die Sonne am Ende des Tages doch noch durchkam, gab es phantastische Sonnenuntergänge, die an Bilder von William Turner erinnerten.

Joseph Mallord William Turner (1775 – 1851) war der bedeutendste englische Maler der Romantik. Er malte vorwiegend Landschaften, gern Seestücke, wobei ihn vor allem das Licht interessierte, so wie in dem Bild unten: „Dido erbaut Karthago“, von 1815. Das Thema ist klassisch, aber es erscheint eher als Vorwand für die Darstellung des Lichts der untergehenden Sonne auf dem Wasser und des Kontrasts zwischen dem gleißenden Sonnenlicht und dem schwarzen Schatten der Bäume im rechten Vordergrund.

(Aus: John Walker, Joseph Mallord William Turner, Köln 1978)

Die Wolken fangen das Sonnenlicht über dem Untersee ein.

Hier ein Ausschnitt aus Turners Bild „Das Sklavenschiff“ von 1840. Der Maler war gegen die Sklaverei, doch auch hier dient das Thema ganz offensichtlich vor allem als Vorwand für den großartigen Sonnenuntergang auf See.

(Aus: John Walker, Joseph Mallord William Turner, Köln 1978)

Dass die Sonnenuntergänge zu Turners Zeit etwas Besonderes waren, liegt an einem tragischen Ereignis: dem Ausbruch des Tambora im Jahr 1815. Die Eruption des indonesischen Vulkans war der schwerste Vulkanausbruch in historischer Zeit. Über 100000 Menschen starben, der Himmel verdunkelte sich im Umkreis von 600 Kilometern zwei Tage lang vollständig, aber die Staubteilchen stiegen auch in die Stratosphäre auf und verteilten sich so auf der ganzen Erde. Das Jahr 1816 wurde in Europa zum „Jahr ohne Sommer“, es kam zu Ernteausfällen und Hungersnöten. Und über viele Jahre hinweg zu grandiosen Sonnenuntergängen!

Auch Maler wie Carl Spitzweg oder Caspar David Friedrich haben sich davon inspirieren lassen, aber bei William Turner hat dieses Phänomen den deutlichsten Niederschlag gefunden. Hier sein Bild „Flintcastle“ von 1838.

(Aus: Wikipedia)

Die Europäer ahnten jedoch nicht, was die Ursache für das Schöne und Schreckliche war, das ihnen in jenen Jahren widerfuhr. Dabei war Turner fasziniert von Vulkanausbrüchen. Mit eigenen Augen erlebte er den Ausbruch des Vesuvs 1819 bei einem Besuch in Neapel. Doch auch hier scheint es vor allem das Licht auf und über dem Wasser gewesen zu sein, das ihn faszinierte.

(Aus: John Walker, Joseph Mallord William Turner, Köln 1978)

Übrigens war William Turner auch am Bodensee. Das Aquarell von Konstanz lässt erahnen, dass der Staub des Tambora selbst hier den Himmel rötlich-gelb gefärbt hat.

(Aus: Wikipedia)

Ob der Staub des Vulkanausbruchs auf La Palma wohl für die Turnerschen Sonnenuntergänge bei uns verantwortlich ist?